Eine Woche wildes Denken: Zeit für eine Reflexion?

Jede wissenschaftliche Disziplin entwickelt, abhängig von aktuellen Trends, Debatten und Kontroversen, ein bestimmtes Vokabular und bestimmte Traditionen. Thomas Kuhn nannte dies Paradigmen. Auch die Ethnologie zehrt schon seit einigen Jahrzehnten an einem methodologischen Paradigma: der Selbstreflexion. Dabei werden eigen produzierten Texte kritisch hinterfragt und beurteilt. Zumeist hat solch eine Selbstreflexion einen Schutzmechanismus. Bestimmte Kritikpunkte sollen schon bevor sie überhaupt aufkommen benannt und verbannt werden. Außerdem muss sich die Ethnologie fast dreißig Jahre nach der Writing Culture Debatte immer noch ihrer Methode entschuldigen. Die Selbstreflexion ist dabei ein Entschuldigungstext, indem qualitative Forschungsmethoden gerechtfertigt werden und gleichzeitig auf ihre Grenzen hingewiesen wird.

Obwohl dieser Prozess der Ethnologie anhaftet wie ein unangenehmes Mitbringsel aus längst vergangenen Zeiten entstehen mit den Selbstreflexionen in den meisten Ethnographien ein Paratext der oft mehr über den Forscher aussagt, als über die eigentliche Forschung. Aus diesem Grund folgen auch hier einige Zeilen:

Wildes Denken ist der Titel der deutschen Übersetzung von Claude Levi-Strauss‘ Eassay La Pensée sauvage von 1962. Dieses Denken verbindet Wesen, Dinge und Phänomene durch einen allumfassenden Zusammenhang miteinander, der rational nicht erklärbar oder zu begreifbar ist. Natürlich wurde der Titel des Blogs nicht nur aus diesem Grund gewählt. Wildes Denken will eben auch einfach nur der Versuch sein, verschiedene Nachrichten des Alltags aus einer ethnologischen Perspektive zu kommentieren. Der Blog Savage Minds im englischsprachigen Raum benutzt ebenso den Titel. Auch dieser Blog hat zum Ziel das Fach Ethnologie einem breitem Publikum zugänglich zu machen.

Letzterer kam erst bei den Recherchen zum ersten Blogeintrag Avatar zum Vorschein und soll hier nicht kopiert werden. Im Text zum Hollywood Blockbuster Avatar wurde auch schnell klar, dass die Einträge mehr Text benötigen als erwartet. Gleichzeitig kann nur auf wenige Punkte eingegangen werden und viele andere, die auch Erwähnung verdient hätten, müssen rausgelassen werden. Für einen Ethnologen, wie oben bereits beschrieben, ist dies druchaus problematisch. Der Text sollte trotzdem darauf hinweisen, in welcher Weise ethnologisches Wissen in dem Film vorkommt und welche Vor- und Nachteile dieses mit sich bringt. In dem zweiten Beitrag Weihnachten wird ein Text von Levi-Strauss zusammengefasst, der auch vielen Ethnologen nicht bekannt sein sollte. Durch Zufall bin ich auf eine portugiesische Übersetzung in einem Buchladen gestoßen, womit eben dieser zweite Eintrag geboren war, der freilich nur einige wenige ethnologische Aspekte des Weihnachtsfestes benennt. Und dann noch der dritte Beitrag zum Film Good Copy Bad Copy. Dieser versucht vor allem auf die multiplen Perspektiven hinzuweisen. Ein Hinweis also auf eine bestimmte Komplexität die zu oft in Debatten zu solchen (oder ähnlichen) Themen ausgeblendet wird. Die Ethnologie sollte aus diesen Gründen wichtige Unterstützung in solchen Diskussionen geben können.

Und so sind die ersten drei Beiträge die ersten Versuche Texte zu produzieren, die andere und neue Blickrichtungen zur Verfügung stellen. Dabei muss noch ausprobiert werden wie solche Texte am besten aussehen sollten. Erstaunlicherweise haben es in der ersten Woche über 150 Besucher aus 10 Ländern auf die Webseite geschafft (vielleicht ist solch ein erstaunen auch unangebracht). Gedankt sei dafür vor allem Lorenz Khazaleh von www.antropologi.info der schneller als alle anderen einige Beiträge bereits auf seinen Blog verlinkt hat. Alle zukünftigen Besucher sind dazu angehalten Kommentare zu hinterlassen, so dass eine Reflexion zu den Beiträgen nicht allein geschehen muss.

Es ist längst Zeit für ein Paradigmenwechsel, so dass ein solcher Beiträg überflüssig wird.

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