Claude Levi-Strauss Comic

Jovan Maud von Culture Matters lobt den Claude Levi-Strauss Comic als „[the] most excellent tribute to Claude Levi-Strauss“.

Die MacherInnen sind Apostolos Doxiadis, Alecos Papadatos und Annie Di Donna, die in Logicomix Bertrand Russel auf die Suche nach dem logischen Fundamenten der Mathematik schicken. Bemerkenswert: der Mathematik-Grundlagen Comic ist: „The New York Times #1 Bestselling Graphic Novel!“

Im Cartoon gelingt es der Redaktion nicht, nicht strukturalistisch zu denken und wie könnte die geistige Wirkungsmächtigkeit von Strauss besser eingefangen werden, als mit einem Schnappschuss-Portrait eines Redakteurs, der es versucht und daran scheitert? Der Comic endet sinngemäß mit:“intellektueller Fortschritt ist nicht der Stein, der ins Wasser geworfen wird, sondern es sind die Wellen, die er erzeugt“.

Jetzt geht es nicht anders als die Frage aufzuwerfen, ob Comics ein angemessener Weg sind, um ethnologisches Denken aus Bibliotheken zu befreien und Wellen im Alltag schlagen zu lassen?

Das Problem ist bekannt und oft diskutiert: die Wissenschaft, die sich mit dem Fremden beschäftigt, ist selbst in der eigenen Gesellschaft fremd. Sie spielt in den tagesaktuellen Medien die Figur des exotischen Anderen, der gern eine unangenehme Wahrheit sagen darf, weil der bunte Vogel Ethnologie problemlos überhört werden kann.

Comics erreichen viele Menschen, weil sie schnell zu lesen sind und das Verlangen nach Bildern befriedigten, die sowieso Konjunktur haben. Aber gleichzeitig gelten sie, völlig zu unrecht, als unseriöse, unwissenschaftliche, unterhaltende Trivialliteratur für ein junges Publikum, welches aus Konzentrationsmangel keine langen Texte liest. Diese Comic-Szene verankert sich bildlich im Gedächtnis und macht Lust und Mut über Strukturalismus zu diskutieren, ohne alles über selbigen zu wissen. Ist das legitim, darf Claude Levi-Strauss-Inhalt in eine Cartoon-Formen gegossen werden, oder geht dabei etwas verloren?

Oder wird hier sogar ethnologisches Wissen zur Ware für ein Eliten-Publikum, welches intellektuelle Unterhaltung verlangt? Ist also die Financial Times auf einen der grössten Ethnologen nur gekommen, weil dessen Tod ein großes Medienecho ausgelöst hat und jetzt Unzählige diesen Claude Levi-Strauss Comic lesen?

Und schließlich: verändert sich Ethnologie, wenn die Bildkunjukturwelle über sie schwappt und plötzlich alle EthnologInnen, die etwas auf sich halten, mit Foto, Film und Filzstift losziehen, um Bildwerke zu kreieren?

  1. Es ist in diesem Fall sicherlich etwas ungerecht wenn man dem Logicomix-Verlag hier unterstellt, sich nur oberflächlich eines viel zu komplexen Themas innerhalb des Mediums Comic zu nähern. Die inhaltliche Bearbeitung ist äußerst kreativ und sehr anspruchsvoll. Wenn man im Portfolio dieses Verlages stöbert und vor allem sich den Biografien des Zeichnerteams zuwendet, findet man hier wohl einen kleinen aber gut besetzten Comic-Verlag mit recht festem, inhaltlichen Zuschnitt (Aufarbeitung und Urbarmachung von komplexen, wissenschaftlichen Sachverhalten für ein breiteres bildungsbürgerliches Publikum). Fest in der Tradition des französischen Comics, der schon immer tiefschürfender daherkam als sein amerikanisches Pendant, scheint dieses Konzept mir auch teilweise aufzugehen. Da das Team hier erst im Auftrag des „Financial Times Weekend Magazine“ den Plot entwickelte, kann man wohl ein finanzielles Interesse am Tode Levi-Strauss‘ eher, erst in zweiter Ordnung herauslesen.

    Die Frage nach dem sinnvollen Zuschnitt und der Verbreitung vitaler (!) ethnologischer Fragestellungen, Theorien und Debatten auf andere Medien, bleibt hier jedoch auch nur in Ansätzen beantwortet. Denn der Comic wagt schließlich, lediglich eine didaktische Dekonstruktion des Mythendiskurses anhand antiker Literatur, was schließlich schon etwas elitär und angestaubt wirkt. Und ohne weiterführende Vorkenntnis eben jener antiker Stoffe und eben auch des Mythendiskurses bei Levi-Strauss recht schwer verdaulich ist und lediglich wohl eher dem Leser mit Vorkenntnis erst wirklich eine Freude bereitet.

    Interessanter wird das Medium Comic dann doch eher, wenn man eine andere Spezialdisziplin innerhalb des selbigen, als geeigneteres Beispiel anführt: Die Graphic Novel, im speziellen die biographische Graphic Novel. Ein Genre welches in den letzten gut 30 Jahren sehr vital immer wieder, durchaus auch ethnologische Diskurse verhandelte. Mit dem bahnbrechenden Werk „Maus“ von Art Spiegelmann, erstmals Anfang der 1980er distributiert, wurde dieses Genre salonfähig und spätestens seit Marjane Satrapis „Persepolis“ und dessen filmischer Adaption auch einem „ethnologisch interessierten“ Publikum lieb und teuer. Man könnte hier auch noch Guy Delisles biografischen Zyklus über seine Reisen nach China („Shenzhen“, 2006) und Nordkorea („Pjöngjang“, 2007) und schließlich „Aufzeichnungen aus Birma“ (2009) anführen.
    Wenn man sich diesen Werken wissenschaftlich nähert, sie ethnologisch rezensiert und rezipiert, ist soetwas wie eine vitale ethnologische Arbeit innerhalb des Mediums Comic, meiner Meinung nach durchaus interessant und sinnvoll. Ob ein jeder Ethnologe ganz im Sinne der praktizierten, visuellen Anthropologie nun jedoch selbst zum Bleistift und zur Tusche greifen sollte, bleibt äußerst fragwürdig….

  2. Weil es oben erwähnt wird, bei der Bundeszentrale für Politische Bildung sind die beiden Bände von Spiegelmanns „Maus“ für 4 Euro Bereitstellungspauschale erschienen.

    In historisch, biografischen Graphic Novels sind ethnologische Perspektiven eingearbeitet, aber sie werden nicht explizit diskutiert, obwohl ich das für möglich halte.
    Eine witzige mediale Selbstreferenz in dem Claude Levi-Strauss Comic ist die Grafik, die der Redakteur erstellt um die verborgenen Strukturen hinter der Narration des griechischen Mythos aufzudecken. Ich weiß, ich werfe jetzt viel durcheinander, aber wenn ich mir den dtv-Atlas der Ethnologie ansehe, sind farbige Grafiken keine Seltenheit um Konzepte zu versinnbildlichen.
    Wäre nicht viel gewonnen wenn EthnologInnen diese Ambitionen professionalisieren? Was spricht dagegen?
    Ich denke, der Wissenschaftsbetrieb gewinnt eine Perspektive, wenn visuell gedacht und publiziert wird, denn wird im Alltag Kultur intensiv optisch wahrgenommen. Darum sehe ich es als Vorteil, wenn EthnologInnen sowohl visuelle Repräsentationen von Kultur analysieren, als auch erschaffen. Vielleicht kann ich auch so argumentieren: wer weiß, wie ein Haus gebaut wird, kann auch besser die Stabilität eines anderen Hauses beurteilen.
    Wenn über einen Comic geschrieben wird, ist das eine Übersetzungsarbeit zwischen zwei optisch, darstellenden Medien. Nichts anderes ist es, wenn Text in eine Comic-Form transferiert wird. Was dabei notwendig ist, sind Kenntnisse über die Bildsprache und Zeichengrammatik von Comics. Für mich ist die Frage, was wird, gegenüber Text, gewonnen und was geht verloren, wenn beispielsweise Malinowskis Argonauten als Comicfiguren die Segel setzen.
    Ein weites Thema, ein gutes Thema. F

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