Scanne mich, denn es ist hübsch! – Über Nacktscanner

Wir leben in einer Welt voller Bilder. Zugegeben das ist keine neue Aussage und sie ist noch nicht einmal besonders aufregend. Und doch kann sie helfen um die aktuelle Diskussion um Nacktscanner um einige Punkte zu erweitern.

Irgendwann Anfang der 1990er Jahre wurde in den Sozialwissenschaften die ikonische Wende ausgerufen (pictorial turn). Diese Wende weißt auf das Aufkommen einer visuellen Kultur hin, die immer wieder mit der Entwicklung bildgebender Technologien (Foto, Film, Röntgenaufnahmen) historisch skizziert wird. Visualisierungen durchdringen heute beinahe jeden Bereich von Gesellschaft. Längst haben wir gelernt Bilder im Alltag auf eine bestimmte Weise zu lesen. Wird der Begriff auf alle Visualisierungsformen erweitert, also auch auf Diagramme, Karten, Symbole oder Modelle bemerken wir schnell, dass Bilder eine große Menge an Wissen in unseren Alltag tragen. In der Werbung wird dies gegen uns angewendet. Längst weiß man dort welche Wirkung Visualisierungen auf Wahrnehmung und Wissenstransfer haben. Aber auch der Erfolg von Webseiten wie youtube oder flickr lassen erahnen wie wichtig die Wissenskommunikation über Bilder geworden ist. Freilich hat dieser Prozess verschiedene Auswirkungen auf unsere soziale Praxis. In der Medizin wendet sich der ärztliche Blick vom Körper der Patienten auf die Monitore, wir entdecken unbekannte und ferne Plätze durch Reportagen und Bilder im Fernsehen und wir produzieren eben auch Geräte die angeblich zu unseren eigenen Sicherheit durch unsere Kleidung sehen kann. Jetzt könnte man behaupten, dass diese Beispiele nicht zusammen gehören und doch sind sie Produkt unserer Bilderwelt. Wir haben eine merkwürdige Wahrheit in die Visualisierungen unserer Welt gesteckt. In der Tat sind Bilder zum großen Teil Träger komplexen Wissens. Über die Bildlichkeit wird es möglich diese Komplexität zu transportieren. Ein ganzer Kontinent mit all seinen Gebirgsketten, seinen Megastädten und Wäldern passt auf ein Blatt Papier, das wir in die Tasche stecken können. Das ist die eine Seite. Die andere, und diese wird scheinbar zu wenig beachtet, ist was aus diesen Bildern wird. Ich kann die beschrieben Karte nutzen um mich auf dem Kontinent zu navigieren, weiß ich doch sofort wo große Gebirgsmassive mir den Weg versperren. Ich kann diese aber auch benutzen um Grenzen zu ziehen, Kriege zu planen oder Straßen zu bauen. Aus der Karte wird ein Instrument, dessen Tragweite nicht so einfach abzumessen ist.

Nun aber zurück zu den Nacktscannern. Das Wort selbst klingt bedrohlich, greift es doch scheinbar etwas Privates in uns an: unsere Intimität. Wir haben uns daran gewöhnt auf Reisen unseren Namen frei zu geben und auch unsere Adresse, unser Gepäckinhalt und das was wir auf der Reise vorhaben. Aber eine Entblößung bis auf die nackte Haut? Hier hört die Bilderliebe auf, und danach auch gleich der Glaube in diese Bilder. Die Untersuchungen im Zuge der ikonischen Wende haben uns jedoch gezeigt dass wir diesen Bildern nicht entfliehen können. Sie sind Teil unserer Lebenswelt und drängen sich uns beinahe ungewollt auf. Wenn wir sie nicht wollen (und hier könnte eine weitere wichtige Fragen ins spielen kommen, nämlich wie Diskurse um und mit den Bildern überhaupt entstehen) müssen wir hoffen, dass es Möglichkeiten gibt sie schöner zu machen. Schön werden aber Bilder nicht wenn wir sie zensieren und auch nicht wenn wir sie bis auf die Haut entfremden. Schön werden Bilder, wenn die zweite Seite (siehe oben) allgemein akzeptiert wird. Im Falle der Nacktscanner müsste das heißen, dass wir uns alle ausziehen und sich keiner daran stört. Also! Für schöne Nacktscanns bitte einfach jetzt die Kleidung entfernen. Vielen Dank.

Leseempfehlungen

Bachmann-Medick, Doris. 2009. Cultural turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.
Burri, Regula Valérie. 2008. Doing Images: zur Praxis medizinischer Bilder. Bielefeld: transcript.

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